B 4 Klassik in neuem Gewand

 

Zum Jahresbeginn 1998 erscheint Bayern 4 Klassik, eines der ältesten und erfolgreichsten Klassik-Programme im ARD-Hörfunk, mit veränderter Programmstruktur. BR-Hörfunkdirektor Dr. Thomas Gruber begründete die Reform mit dem Wunsch, besser auf die Bedürfnisse der naturgemäß nicht sehr zahlreichen Hörerschaft einzugehen, und mit dem allgemeinen sozialen Wandel, der eine Anpassung erforderlich mache. Damit werde freilich, so Gruber, "kein Schritt in den Populismus" gemacht; man wolle nur etwas populärer werden. Auch in der E- Musik müsse man zur Kenntnis nehmen, daß es verschiedene Motivationen fürs Radiohören gebe und das 'Nebenbeihören' erhebliche Bedeutung gewonnen habe. Solchen Hörern sei B 4 oft zu anspruchsvoll, und sie ließen sich dann von der Konkurrenz, von Klassik-Radio, bedienen.

Bereits beim Start von Klassik-Radio (terrestrisch in München) 1991 hatte der BR ja rasch reagiert und in der mittäglichen Promenade das Element der Moderation verstärkt und die Musikauswahl kleinteiliger gestaltet. In der neuen Programmstruktur wird nun mehr auf 'Hörgewohnheiten' im Tagesablauf eingegangen. D.h. unter anderem, daß das schwergewichtige B4-Panorama zurückverlegt und Platz für zwei leichte Vorabendreihen gemacht wird, die Tastenspiele ("Pour le piano") und ein Divertimento musicale. Die anspruchsvollen, Zuhören verlangenden Werke füllen den Abend, so daß die bisherige Serenade verschwindet. Für den Mittag sind Aktualitäten angesetzt, zum einen eine Besprechung von CD-Neuerscheinungen, zum anderen bayernweite Konzerthinweise im Terminkalender. Letzterer ist erfreulicherweise als eigene Sendung gestaltet und nicht wie im Mittags-Divertimento von Radio 3 der Nordschiene als störendes Füllmaterial zwischen die Musik verteilt.

Am Samstag werden neu auf einem festen Sendeplatz die bisher sporadisch anzutreffenden Interpretationssendungen von Joachim Kaiser angeboten, unter dem freilich unmöglichen Titel Kaiser's Corner. Daß darauf die neue Reihe Klassik ohne Worte folgt, erklären böse Zungen damit, daß man derartiges danach auch brauche. Desungeachtet sind Interpretationssendungen immer ein Gewinn, stellen eine ideal radiophonische Form dar und erfüllen exemplarisch den Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Zur Reflexion über Musik wird außerdem die Presseschau Für Sie gelesen dienen, in der u.a. Konzertkritiken herangezogen werden sollen. Die Musica-viva-Konzerte am Freitag erhalten jeweils eine aufwendige Einführungssendung am Dienstag zuvor auf Bayern 2. Diese Kanalteilung wird sich im Bewußtsein der Hörer freilich erst noch festsetzen müssen. Ansonsten ist man nämlich den umgekehrten Weg gegangen und hat beim Jazz die Kanalteilung zwischen B 2 und B 4 abgeschafft. Jazz findet nun durchweg auf B 4 in der letzten Stunde vor Mitternacht statt.

Bei der Präsentation versucht man, durch Personalisierung die Identifikation des Hörers mit dem Sender zu verbessern. Für bestimmte Reihen werden wöchentlich wechselnde Moderatoren eingesetzt, die "als Begleiter, nicht als Dozent oder als Lehrer, sondern als Vermittler" fungieren, wie Hauptabteilungsleiter Musik Axel Linstädt ausführt. Einige Sendungen erhalten auch Titelmusiken, die die Wiedererkennbarkeit verstärken sollen. Insgesamt, so resümiert Linstädt, will man weiterhin den Spagat schaffen "zwischen den Klassikfreaks mit ganz besonderen Ansprüchen und dem breiten Publikum, das von niveauvoller klassischer Musik eher unterhalten werden möchte." Die Chancen dafür stehen aufgrund der Programmreform sicherlich recht gut.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gerhard Bachleitner