Tutti motti

 

"Abfall für Alle", wie Götz von München einst sagte, wäre zu hochmütig ausgedrückt.

"Einfälle für Alle" - warum nicht? "Anfälle/Ausfälle für Alle" werden sich nicht vermeiden lassen. "Vorfälle für Alle" hoffentlich.

Zu pathetisch "Die Fackel", wie sie einst K. Kraus vor sich her tragen zu müssen geglaubt. Zu hoch gegriffen sollte auch die Unterstellung sein, es handele sich um "Die letzten Tage der Menschheit". Um vorletzte Tage wird es sich aber wohl schon handeln.

"Meßmers Gedanken" wäre zu literarisch assoziiert (wird auch schon andernorts verwertet).

Vielleicht "Perlentaucher auf eigene Rechnung".

Oder auch: Hier geht es darum, den täglichen Wahnsinn auf den jeweils neuesten technischen Stand zu bringen - oder die Technik auf den jeweils neuesten Stand des Wahnsinns zu bringen.

 

Gewiß nichts Regelmäßiges (das Leben hält genug andere Regelmäßigkeiten bereit/entgegen), nur Okkasionelles.

Selbstschutz und Purifizierungsmaßnahme angesichts der von der Journaille gesammelten und täglich über uns ausgegossenen Jauche an individuell-institutioneller Bosheit, Niedertracht und Borniertheit. Erträglicher wird das Unwesen durch historisierende Lektüre: Wochen, Monate, Jahre liegen zwischen Ereigniszeit und Rezeption. Der nervtötendste Kleinkram fällt von selbst durch den Rost, etwas längere Linien treten hervor. Sie desavouieren sich auch selbst nach Bedarf und Wunsch. Wer wird heute noch etwas über die Gesundheitsreform/Steuerreform/Arbeitsmarktlage/etc. des Jahres 2005/2003/1998 lesen wollen, die Lügen des Kanzlers X ernst nehmen, wenn er doch die neuen, tagesfrischen Lügen des Nachfolgekanzlers Y aufgetischt bekommt? Und umgekehrt: was heute geschieht und auftritt, sind Lemuren und Gespenster der Vergangenheit.

Ach ja, zur Erinnerung:

"Staat heisst das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: und was er auch redet, er lügt - und was er auch hat, gestohlen hat er's." Nietzsche

 

 

4.8.2010

Auf der Leopoldstr. macht die Polizei Jagd auf die Radfahrer, d.h. wartet an überflüssigen und obstruktiven Ampeln auf das vernünftige Verhalten der Radfahrer, um es zu bestrafen. 45 Euro kann man an den Ampeln am Siegestor kassieren, aber selbst dem Fußgänger werden noch 5 Euro abgenommen. Die Ampel stadtauswärts ist völlig sinnfrei, lediglich ein Geßler-Hut, der zum Abkassieren aufgestellt wurde. Früher gab es sie aus gutem Grunde auch nicht.

Erfolgreich sind die städtischen Schergen am Werke, den Radverkehr noch unleidlicher und wirklichkeitsfremder als bisher schon zu gestalten und die Stadt ihrem mobilen Bewohner noch verhaßter zu machen. Wieder einmal sollen die Deutschen also zu Kadavergehorsam und vorsätzlicher Dummheit erzogen werden.

 10.7.10

Die hiesigen Stadtwerke verlegen im Stadtviertel Glasfaserkabel. Für das kurze Stück Gehweg vor dem Haus sind die Arbeiter schon mehrere Tage beschäftigt und noch immer nicht fertig – die Kosten kann man sich ausmalen. Wettbewerb ist doch erfreulich – wird man nach herrschender Ideologie einwenden -, zumal auf der Ebene der Infrastruktur.

Aber schauen wir uns an, was wirklich geschieht. Der städtische Anbieter ist bisher nirgends durch Preisgünstigkeit aufgefallen, sondern stets im Windschatten der hochpreisigen Telekom gesegelt, deren Glasfaser ja schon liegt. Nun vergräbt man also die Quasimonopol-Gewinne aus den übrigen Sparten für Telekommunikation im Boden, aber das resultierende Angebot wird keinen Cent billiger als dasjenige der Telekom sein. Der Nutzer wird vom vermeintlichen Wettbewerb keinen Kostenvorteil erhalten, aber die Millionen werden vergraben und verloren sein.

Schon in den 70er Jahren plante die damalige Bundespost die Glasfaserverkabelung und stellte das Projekt Bigfon vor. Schon damals wußte man, daß man dereinst Rohre in der Erde dafür bräuchte. In den seitdem oftmals aufgerissenen Straßen (u.a. für die BK-Zwangsverkabelung) hätte man leicht mal entsprechende (Leer-)Rohre verlegen können. Aber man wartet ja lieber, bis es möglichst viel kostet.

 

18.3.10

Aktuelle IT-Technik

Gang in den Briefkasten des Marktführers W. Der Versuch, einen Brief zu beantworten, schlägt fehl, weil die mit externen Verknüpfungen überfrachtete Seite ein Komplexitätsrisiko darstellt. Tatsächlich bleibt der Senden-Knopf am Kopfende ausgegraut. Druck auf den Senden-Knopf am Ende bringt die Fehlermeldung, jetzt habe sich der Fehlerteufel eingeschlichen, aber man arbeite bereits an der Behebung des Problems, und wenn ich als Programmierer einsteigen wolle, ginge es sicherlich noch rascher. Hier sind mehrere Lügen versammelt. Natürlich wird nicht an der Problemlösung gearbeitet. In Wirklichkeit hat man ja erst daran gearbeitet, das Problem zu schaffen, bei dem es sich auch nicht um einen sozusagen versehentlichen Fehler handelt. Bestimmte Browser- und Verbindungskonstellationen und Zeittaktungen über die langsame https-Verbindung verursachen das Problem. Wenn ich als Programmierer einstiege, wüßte ich, daß hier rücksichtslos Inkompatibilitäten bei/zu schmalbandigeren Anwendern/Anwendungen in Kauf genommen werden, und bekäme keine Erlaubnis, sie zu eliminieren/verhindern.

 

16.2.2010

Aktuelle IT-Technik

HTML-Dokument aus dem amerikanischen Gutenberg-Projekt, deutscher Text. Word 2002 stellt nur die erste Seite dar. Wordpad Works hängt sich auf, MS Excel hängt sich auf, Internet Explorer hängt sich auf, Firefox stellt falsche Umlaute dar.

 

 

14.2.2010

Aktuelle IT-Technik.

Wieviele Rechner braucht man, um ein WLAN nicht installieren zu können?

Vier. Am neuesten Rechner läuft die Router-Software nicht, weil ihr das Windows7 zu neu ist. Der Hersteller hat zuletzt 2008 daran etwas getan, hat offenbar auch keine Lust, den Treiber zu aktualisieren. Am Laptop läuft sie nicht, weil ihr Windows 98 ME zu alt ist. An einem XP-Rechner stürzt die Installation regelmäßig mit einer Fehlermeldung ab, man bedauere die Unannehmlichkeit. An einem anderen XP-Rechner gedeiht die Installation bis zum Fehler 302. Die "Wissensdatenbank" des Herstellers kennt den Fehler 302 nicht einmal.

 

1.2.2010

Abflug in München.

Die Frage der Buchungsagentin nach einer Telefonnummer für den Fall einer Benachrichtigung von Angehörigen, paßte offensichtlich nicht in eine Welt vermeintlicher Rationalität und Risikobewältigung.

Das vorab obligatorisch verlangte elektronische Visum befreite, so war nun auch zu hören, wie schon im Vorjahr, nicht vom Ausfüllen der beiden bekannten Papierformulare. Am Flugsteig gäbe es eine automatische Schranke, die den Durchgang aufgrund elektronischer Markierung auf der Bordkarte freigibt. E-Tix heißt das Verfahren. Es wird aber nicht benutzt. Statt dessen müssen sich die Leute wie eh und je in zwei Reihen anstellen. Zwei Bedienstete einsparen - undenkbar; müssen sie doch die unsinnigen liturgischen Fragen nach der Behandlung des Gepäcks stellen. Diese haben keinerlei faktischen Nutzen (wie auch die Fragen beim amerikanischen Visum), werden niemals eine Bombe vom Flugzeug fernhalten, sondern verdanken sich ausschließlich einer juridisch motivierten Fiktion von Sicherheit und Ordnung. So wehren sich zäh die eingefahrenen Organisationsstrukturen und führen beim Nutzer/Klienten sogar zu einer Doppelbelastung statt Entlastung.

Die zweite Sicherheitskontrolle vor dem Betreten des Flugsteiges dient ebenso wenig der Sicherheit, sondern dokumentiert nur die Unfähigkeit, im Flughafenareal, also seitens des Betreibers selbst, die nötige Sicherheit zu garantieren. Diese Unfähigkeit wird auf dem Rücken der Klienten ausgetragen. Dazu paßt der kürzlich hierorts eingetretene Fall einer fälschlichen Sprengstoffwarnung bei einem Laptop, dessen Besitzer, der ja von dessen Unbedenklichkeit wußte, ihn wieder an sich genommen hat und zum Flugzeug gegangen ist. Die darauf erfolgte Sperrung des gesamten Terminals 2 und Verhinderung zahlreicher Flüge ist eine maßlose Fehlreaktion und nur dem eigenen Unvermögen der Zuständigen geschuldet. Daß der Laptop-Besitzer freilich im Falle der Ergreifung die ganze Hysterie noch zu bezahlen hätte, also für den Fehlalarm des Prüfgerätes noch einzustehen hätte, zeigt die Perversion dieses Denkens, das das Opfer zum Täter machen will. Der Sicherheitswahn ist insgesamt verfehlt, illusorisch und kontraproduktiv. Die Sicherheitsüberprüfungen/-einrichtungen sind der Terrorismus, für dessen Verhinderung sie sich halten. Sinnvoller wäre es im übrigen, den Ländern, die antiwestliche Aggressionen züchten, zu einer kommoden Religion, humanen Kultur und einem aktuellen Lebensstandard zu verhelfen.

 

19.1.2010

Das dritte Programm des Deutschlandradios ist vorgestern gestartet, DR-Wissen. Dumm nur, daß es kein Programm gibt, d.h. einen Ablaufplan. Über DVB-S in den SI-Daten findet man die Einträge "Hirn braucht Arbeit", und zwar für überlappende Zeiträume. Die Praktikanten können also nicht einmal die Sendetechnik richtig bedienen. Über DAB könnte man ebenfalls Sendungstitel ausstrahlen, und es gäbe sogar einen "Intellitext", aber beides wird nicht benutzt. So muß das neue Programm ehrlicherweise DR-Unwissen heißen. Hirn braucht zwar Arbeit, aber keine solche, nämlich auf die Suche nach der Ankündigung von Sendungsinhalten zu gehen. Ein Programm, dessen Selbstbeschreibung nicht existent ist, ist nicht existent.

Bodenlose Arroganz und Schlampigkeit auch andernorts. Die Konzertankündigung für heute in der Philharmonie enthält im Gasteig-Programm kein Wort über die gespielten Werke. Statt dessen läßt Justus Frantz über klassische Musik im Allgemeinen labern. Die anderwärts angekündigten beiden Beethoven-Werke bilden auch nur einen Teil, denn im Konzert werden auch noch zwei Ouvertüren und eine Zugabe gespielt.

Die Ankündigung für Beckers Bibelrezitation übermorgen ebd. ist ebenso substanzlos, verschweigt Komponisten, Orchester, Dirigenten, Chor. Sind wir denn ein Volk von Analphabeten, daß wir uns Informationen vorenthalten lassen müssen?